Laudatio als Kurator (Vernissage)
Lieber Moritz!
Liebe Mitglieder unseres Fördervereins.
Liebe Freundinnen und Freunde der Gegenwartskunst!
Willkommen in diesem Tempel des Hier und Jetzt, wo sich die Wände heute Nacht nicht mit Farbe bedecken.
Sondern mit dem Flackern unserer kollektiven Fantasien.
Eine Ausstellungseröffnung steht bevor, die nicht nur Bilder zeigt, sondern Spiegel aufstellt – Spiegel, in denen sich die verborgensten Triebe unserer Gesellschaft reflektieren.
„Sex im Kino“, so der Titel, den wir mit Stolz und ein wenig schalkhafter Verwegenheit gewählt haben – und als Kuratorin dieser Ausstellung darf ich Ihnen versichern:
Dies ist kein Filmprogramm.
Es ist vielmehr eine archäologische Grabungsstätte der Begierde, ein Labor, in dem wir die Alchemie von Erotik und Ästhetik sezieren.
Doch gestatten Sie mir, im Rahmen einer bescheidenen Laudatio, den Architekten dieser gewagten Schau vorzustellen:
Moritz Vahlen-Peters - dessen Name längst kein Geheimtipp mehr ist, sondern Programm.
Mit der Präzision eines Ethnologen und der Kühnheit eines Stummfilmrebellen seziert er seit Jahren die erotischen Unterströme des Kinos – jenseits von Klischee und Kitsch, im Grenzgebiet zwischen Pathos und Peepshow.
Sein jüngstes Werk, „Frame und Fleisch“, inszeniert Filmzitate als dreidimensionale Installationen:
Ein kubistischer Liebesakt aus splitterndem Zelluloid, ein Beichtstuhl, der statt Sünden Kinotickets spuckt, ein Vorhang aus tausend aufgerollten Zensurstreifen.
Lieber Moritz, deine Arbeit ist kein Kommentar, sondern eine Einladung zur Revolte – willkommen im Kreis derer, die das Kino nicht nur zeigen, sondern entfesseln.
Denn dieses Haus, liebe Freund:innen der Kunst, ist kein Kino.
Hier wird nicht konsumiert, hier wird seziert, hier wird verhandelt.
Wie ein Chirurg, der Skalpell und Projektor vertauscht, zerlegen wir die Filmrollen der Geschichte: jede Nahaufnahme ein Schnitt durch die Schichten unserer Moral, jede Montage eine Provokation des Blicks.
Was im Dunkel des Kinosaals flüstert, bringen wir hier ans Licht – entblößt, analysiert, zur Diskussion gestellt.
Wer von Ihnen erinnert sich nicht an den Moment, als die Leinwand erstmals mehr zeigte, als die Zensur erlaubte?
An das Knistern der Rebellion, wenn ein Regisseur die Kamera wie einen Liebhaber über Haut gleiten ließ?
An den Schock, der zugleich befreiend und beunruhigend wirkt?
Diese Ausstellung feiert jene Momente nicht als Skandal, sondern als künstlerische Tat – als Dialog zwischen Fleisch und Idee, zwischen Tabu und Triumph.
Von den surrealen Umarmungen in Bunuels „Ein andalusischer Hund“ bis zu den genderlosen Körpern bei Derek Jarman – wir spannen einen Bogen, der nicht nur Filmgeschichte, sondern auch die Evolution unseres Begehrens dokumentiert.
Jeder gezeigte Frame ist ein Manifest, jede Requisite ein Beweisstück im Prozess gegen die Prüderie.
Denn hier, in diesen Hallen, wird deutlich:
Erotik im Film war nie Privatsache.
Sie ist der öffentlichste aller Akte, ein kollektiver Ritus, der uns zwingt, die Grenzen von Scham und Freiheit neu zu vermessen.
An unsere Mäzene gerichtet, ohne deren Weitsicht diese Schau nicht stünde:
Ihre Unterstützung ist kein Sponsoring, sondern ein Statement.
Sie beweisen, dass die Kunst auch dort atmen darf, wo andere den Atem anhalten.
An die Mitglieder des Fördervereins:
Ihr Einsatz schafft den Freiraum, in dem Provokation zur Poesie wird.
Lassen Sie uns heute nicht nur vernünftig sein.
Lassen Sie uns streiten, schmunzeln, erröten.
Denn diese Ausstellung ist kein Archiv, sondern ein lebendiger Organismus – sie pulsiert mit der Energie all jener Regisseur:innen, die einst riskierten, was wir heute feiern:
Den Mut, den Körper als letzte Utopie zu begreifen.
Zum Abschluss ein Gedanke der großen Agnès Varda, deren Werk uns lehrte, dass Erotik kein Gegner der Intelligenz ist:
„Die Kamera ist kein Auge, sie ist ein Herz.“
Möge diese Ausstellung beweisen, dass in jedem Filmherzschlag eine Revolution schlummert – mal sanft, mal brutal, immer unvollendet.
Und nun, meine Damen und Herren, eröffnet sich Ihnen ein Labyrinth der Begierde, ein Karneval der Sinne.
Genießen Sie diese Ausstellung, lassen Sie sich von den Bildern verführen, von den Ideen anstecken.
Möge der Abend ein Fest der Freiheit werden – ein Fest, das nicht nur die Augen, sondern auch die Seelen regt.
Ich danke Ihnen.